„Walter war ein feiner Mensch“ – Nachruf

Das Schönste, was ein Mensch hinterlassen kann,
ist ein Lächeln im Gesicht derjenigen, die an ihn denken.


Auf einmal war er mit dabei. Ende 2015 stieß Walter zum Freundeskreis Asyl dazu. Das war die Zeit, in der die Anzahl der Geflüchteten in Vöhringen mit Bezug der großen Unterkunft in der Industriestraße sprunghaft anstieg. Eine Zeit, in der wir Ehrenamtlichen uns zahlreichen neuen Herausforderungen in der Organisation, der sprachlichen Kommunikation und den oft (noch) unklaren behördlichen Prozessen gegenübersahen. Und eine Zeit, in der wir alle selbst unsere ehrenamtliche Arbeit neu organisieren und fokussieren mussten. Unaufgeregt und hilfsbereit brachte Walter sich damals in die Helfertreffen ein, packte einfach an – seien es Kontoeröffnungsprozesse, die er unterstützte, oder Gespräche zwischen Bewohnern untereinander oder mit Behörden, bei denen er als Vermittler wirkte. Walter, der die Fähigkeit hatte, still zuhören zu können, war nicht nur den Geflüchteten ein geschätzter Gesprächspartner. Wenn er etwas sagte, wurde er gerade deswegen umso mehr gehört.

Walter war bis Februar 2020 Teil des Besuchsteams, das jeden Mittwoch zu einer festen Zeit zu den Bewohnern der Gemeinschaftsunterkunft ging. Sein besonderes Interesse galt den verschiedenen Kulturen, die hier aufeinandertrafen. Kulturelle Verständigung verstand er dabei als Austausch auf Augenhöhe: Walter legte stets Wert darauf, den Geflüchteten Sehenswertes und Kulturelles in unserer Region zu eröffnen – beispielsweise durch gemeinsame Ausflüge. Hintergründe vermittelte er und lebte diese vor, jedoch ohne anderen „das Leben und Verhalten in Deutschland“ belehrend aufdrängen zu wollen. Wo die Grenze der Toleranz bei ihm aufhörte, brachte er klar aber nie autoritär zum Ausdruck. Manche von den Bewohnern der Unterkunft ließ er auch direkt an seinem Leben hier teilhaben; als Begleiter, als väterlicher Freund. Teilhabe ist ein großes Wort in der Sozialpolitik. Für Walter war es selbstverständlich, diese privat zu leben.

Diejenigen, die Walter besonders ans Herz gewachsen waren, hat er über fünf Jahre lang als Mentor und Freund begleitet. Unzählige Stunden flossen dabei in Fragen nach Arbeit und Ausbildung, Behördengänge und irrwitzige Recherchen zu Fragen der Passbeschaffung. Manche dieser behördlichen Antworten und das Aufenthaltsrecht brachten Walter auch an Punkte der Frustration, an denen man als Ehrenamtlicher drauf und dran ist, alles hinzuwerfen. Walter aber blieb sich treu, stand seinen Schützlingen bei und ließ sie nicht allein. Auch wenn er dabei lernen musste, die Perspektivlosigkeit manchen Vorhabens, das Hoffen und Bangen, mit auszuhalten. Für uns im Freundeskreis war er in seiner verbindlichen und konstanten Unterstützung, von der er kein Aufheben machte, und in seinem Bemühen um interkulturelles Verstehen ein Vorbild.

Wir haben auch manche Freude mit ihm geteilt: Dass er Ausbildungsstellen vermitteln konnte. Dass einer seiner Schützlinge hier eine Freundin gefunden hat. Und jüngst erst hat er S. noch geholfen, seine erste kleine Mietwohnung in Bellenberg zu beziehen. Für uns bleibt die Erinnerung an einen interessierten Zuhörer und engagierten Vermittler, der unsere Helfertreffen nicht nur durch seine Amtserfahrung, sondern vor allem als Mensch bereichert hat.

Und im Vorbeigehn,
ganz absichtslos,
zünde ich die ein oder andere
Laterne an
in den Herzen am Wegrand.
(aus: Wie wenig nütze ich bin, Hilde Domin
)

In stiller Trauer nehmen wir Abschied von Dir, Walter.
Du fehlst uns.